Ein neuer Typ prähistorischer Keramik aus Ohndorf?

Der Oberbodenabtrag für die Fundamentierung eines Wohnhaus an der Dammstraße, westlich des Ohndorfer Friedhofes (Gemeinde Hohnhorst, Landkreis Schaumburg), wurde am 28. Februar und 1. März von der Kommunalarchäologie begleitet. Wenig weiter westlich fanden sich bei der Erschließung eines Neubaugebiets 2020 überraschend Funde und Befunde aus dem Mittelalter, darunter zwei christliche Körperbestattungen (Ohndorf FStNr. 8), so dass bei der Planfläche in der Dammstraße mit dem Auftreten archäologischer Befunde gerechnet werden musste.

Bei der Begleitung der Erdarbeiten in der Dammstraße konnten neben Lesefunden vier Siedlungsgruben festgestellt werden, von denen drei im Profil geschnitten und dokumentiert wurden. Die Kommunalarchäologie wurde dabei von den Ehrenamtlichen W. Köster und M. Przystawik unterstützt. Während alle Gruben Keramikfragmente urgeschichtlicher Machart enthielten, konnten den Befunden 3 und 4 zudem Holzkohleproben entnommen werden, die zum Zweck einer naturwissenschaftlichen Altersbestimmung (C14-Untersuchung/Radiocarbondatierung) in ein Labor geschickt wurden. Mit den Ergebnissen der Datierung ist im Sommer zu rechnen.

Ein Großteil der aus den Gruben geborgenen Keramik weist eine sehr grobe Magerung auf, die zudem Glimmer (Muskovit) enthielt. In zwei der Gruben wurden außerdem Fragmente stark erhitzter Granitsteine geborgen, die möglicherweise zur Herstellung dieser Magerung dienten.
In jeder Grube konnten bei der Anlage der Profile Randstücke urgeschichtlicher Keramik entdeckt werden, deren Form  eine grobe Datierung in das Endneolithikum und die frühe Bronzezeit zulassen, also in die Zeit um 2000 v. u. Z.

Während in den Befunden 2 und 3 lediglich kleine größtenteils unverzierte Keramikstücke festgestellt wurden, lieferte Befund 4 mehrere große Fragmente, darunter mehrere Randstücke, eines größeren Gefäßes, das, nachdem es unbrauchbar geworden war, an der Sohle der Grube entsorgt worden sein muss. Eine der oben erwähnten Holzkohleproben wurde direkt unterhalb dieser Keramikfragmente geborgen. Mehrere der Fragmente weisen eine möglicherweise aufgesetzte Verzierung auf: unterhalb des Randes, im Übergang von Hals- und Schulterbereich verläuft horizontal eine Wellenleiste, der unterhalb eine mit Kniffen gefertigte oder aufgesetzte dreieckige Leiste folgt. Auch die Ränder weisen Kniffzier auf.
Bisher konnte weder Fachliteratur noch die Konsultierung von Kolleg*innen die Zuordnung eines existierenden Typs liefern. Es lassen sich jedoch Ähnlichkeiten mit den sogenannten Wellenleistenbechern und Halsleistenbechern feststellen, bei denen es sich um zwei verschiedene Typen von Riesenbechern aus dem Spätneolithikum/der frühen Bronzezeit handelt, die eine Höhe von bis 55 cm aufweisen konnten. Die Gemeinsamkeit mit den Wellenleistenbechern besteht in den besagten Zierleisten in Zickzack-/Wellenform, die aufgesetzt oder herausgekniffen wurden. Diese befanden sich jedoch im Gegensatz zu den in Ohndorf gefundenen Stücken relativ nah unterhalb des Randes (vgl. Strahl 1990, Kat.Nr. 777).  Die Positionierung der Zierleiste im Übergang vom Hals- zum Schulterbereich des Gefäßes deckt sich besser mit den Halsleistenbechern, für die jedoch weder Wellenleisten, noch eine darunter angesetzte Dreieckzier in Niedersachsen bekannt sind (Franke 2018, S.15–16).
Vielleicht handelt es sich also bei den Fragmenten aus Ohndorf um einen bisher unbekannten oder nicht publizierten Typ endneolithischer/frühbronzezeitlicher Keramik. Es bleibt abzuwarten, ob die C14-Beprobung die bisherigen typochronologischen  Datierungsversuche bestätigen können.

Finder, Fundmelder, Fundverbleib und Fotos: K. Kellner; Text: K. Kellner

Literatur:
Franke(-Sakuth), Dominique C.: Rätselhafte Riesenbecher. Zur Kontextualisierung einer spätneolithischen Keramikform in Niedersachsen. Neue Ausgrabungen und Forschungen in Niedersachsen 28 (Kiel und Hamburg 2018) 9–41.
Strahl, Erwin: Das Endneolithikum im Elb-Weser-Dreieck, Veröffentlichungen der urgeschichtlichen Sammlungen des Landesmuseums zu Hannover 36 (Hildesheim 1990).