Archäologische Untersuchungen in Müsleringen, Gemeinde Stolzenau

Ein Gastbeitrag von Andreas Thümmel

Auf einer Ackerfläche am Bruchweg in der Gemeinde Stolzenau, fand auf dem geplanten Abbaufeld für eine Kieswerkerweiterung bereits im Frühjahr 2021 eine archäologische Untersuchung statt. Das rund fünf Hektar große Untersuchungsgebiet lag etwa einen Kilometer südwestlich von Müsleringen in der Nähe einer bereits bekannten archäologischen Fundstelle. 

Nachdem bereits im Oktober 2020 durch eine Prospektion mit mehreren Baggerschnitten archäologische Bodenbefunde festgestellt wurden, fand im Zeitraum vom 15. Februar bis zum 11. März 2021 in drei Teilbereichen im Osten des geplanten Abbaufeldes eine archäologische Ausgrabung statt. Insgesamt wurde eine Gesamtfläche von ca. 11.000 m² vom Fachbüro denkmal3D GmbH & Co. KG aus Vechta bearbeitet. 

Die drei Grabungsflächen lagen am Hang einer flachen Geländekuppe, die in südsüdwestlicher Richtung zum Bruchgraben hin abfällt. Östlich angrenzend verläuft der Bruchweg am Rand einer beim Deichbau entstandenen Abbruchkante. Im Südosten fließt in etwa 500 m Entfernung die Weser vorbei. Der Bodenaufbau in den ausgegrabenen Bereichen war von schluffigen Flussablagerungen aus Auelehmen und -sanden geprägt. Unter dem 20 bis 30 cm mächtigen Mutterboden waren die archäologischen Befunde innerhalb des bis zu 40 cm mächtigen Verbraunungshorizontes nur sehr verwaschen bis diffus erkennbar. 

Die Befunde 

Die Grabungskampagne erbrachte 115 Befunde, die eine vorgeschichtliche Nutzung des Geländes als Verhüttungsplatz in den beiden östlichen Teilflächen bezeugen. In der südwestlichen Teilfläche kamen dagegen keine Befunde zu Tage (Abb. 1 Grabungsplan). 

Abb. 1: Grabungsplan mit Verteilung der archäologischen Befunde. 

Insgesamt konnten 60 Schlackegruben von Rennfeueröfen dokumentiert werden, die der Herstellung von Roheisen aus Eisenerz dienten. Dabei handelte es sich um einen Typ von Rennfeueröfen mit eingetieftem Herd. Die Schlackegruben waren im Planum annähernd rundlich bis oval, besaßen Durchmesser von etwa 50 bis 80 cm und waren häufig noch 10 bis 20 cm tief unter Planum 1 erhalten (Abb. 2, 3). Sie wurden in zwei etwa 120 m auseinander liegenden Konzentrationen im Nordosten und im Süden des leicht abfallenden Untersuchungsgebiets angetroffen. Auffällig sind jeweils zwei nord-südlich orientierte, annähernd lineare Reihungen innerhalb der beiden Befundkonzentrationen, die zehn und mehr Rennfeueröfen mit durchschnittlichen Abständen von etwa 1 bis 2 m umfassten. Neben diesen „Ofenbatterien“ befanden sich vereinzelte Schlackegruben isoliert bzw. in einer kleineren nicht linearen Anordnung im südlichen Grabungsareal. 

Abb. 2: Zwei Schlackegruben nach Abtrag des Mutterbodens im Planum 1. 

Während die Schlackegruben im Nordosten von mehreren großen Abfall- und Siedlungsgruben umgeben waren, befanden sich in unmittelbarer Nähe der „Ofenbatterien“ im Süden lediglich fünf längliche, ineinander verschachtelte Gruben bzw. eine isolierte Grube (Abb. 4). Wie Schlacke- und Holzkohlebeischläge in den Verfüllungen nahelegen, wurden die Gruben vermutlich im Rahmen des Verhüttungsprozesses genutzt und kennzeichnen Aktivitätsbereiche, die der Materiallagerung oder der Vorbereitung von Rohstoffen bzw. der Weiterverarbeitung des Roheisens gedient haben könnten. Möglicherweise handelt es sich bei weiteren zum Teil großflächigen und flachen, als Baumwurf interpretierten Strukturen in der nördlichen Teilfläche ebenfalls um die Reste derartiger Aktivitätsbereiche. 

Abb. 3: Schlackegrube im Profil. 

Hinweise auf eine Wasserversorgung der Fundstelle liefert eine Schöpfstelle im Nordosten der südöstlichen Teilfläche, die noch bis in eine Tiefe von etwa 2 m unter Planum 1 erhalten war (Abb. 5). Die annähernd senkrechten Wände waren teilweise mit Lehm ausgekleidet. Auch die Verfüllung der Schöpfstelle enthielt Schlacke, was neben dem räumlichen Zusammenhang, eine zeitliche Zugehörigkeit zum Verhüttungsplatz vermuten lässt. 

Gebäudegrundrisse waren nicht erkennbar. Nur vereinzelt konnten Pfostengruben beobachtet werden. Der Verhüttungsplatz befand sich vermutlich aus Brandschutzgründen am Rand einer Siedlung, die ausgehend von der Befundverteilung weiter nördlich auf der Geländekuppe bzw. weiter östlich Richtung Weser lag. So wurden größere Abfallgruben mit umfangreichem Fundinventar bestehend aus Siedlungsabfällen häufiger im Nordosten des Untersuchungsgebiets angetroffen. 

Abb. 4: „Ofenbatterie“ – Reste von Rennfeueröfen und Arbeitsgruben im Süden der Fundstelle. 

Die Funde 

Das Fundmaterial umfasst hauptsächlich Keramik, daneben konnten Schlacke, Holzkohle, verziegelter Lehm sowie vereinzelt Tierzahnfragmente, Silex, Metall, Felsgestein und Knochen geborgen werden. Insgesamt wurden 239 Fundnummern vergeben. 

Zur Keramik gehören sowohl grobgemagerte, dickwandige Vorratsgefäße als auch zum Teil feinere, dünnwandigere und teils oberflächenpolierte Ware, die als Trink- und Essgeschirr gedeutet werden. Dunkle Farbtöne überwiegen und zeugen von einem reduzierenden Brand bei der Keramikproduktion. Vereinzelt kommen Gefäßscherben mit Pokalfüßen, randständigen Handhaben und Griffknubben an Wandscherben vor. Gelegentlich vorhandene Verzierungen bestehen aus Ritzlinien, Einstichen und Dellen, die vereinzelt auf dem Rand, häufiger aber auf der Gefäßschulter angebracht sind – darunter auch hängende Dreiecksmotive. Weiterhin kommen Kamm- und Besenstrichverzierung, aber auch flächig aufgebrachte Einstiche und Fingernagelkerben am Bauch bei einigen Gefäßen vor. Zu den Gefäßtypen gehören der „Harpstedter Rautopf“ und die „Nienburger Tasse“ sowie weitere Töpfe, Schüsseln und Becher. Nach einer ersten Sichtung kann die Keramik der eisenzeitlichen „Harpstedt-Nienburger Gruppe“ (ca. 600 bis 300 v. Chr.) und der älteren Römischen Kaiserzeit (1. Jh. n.Chr.) zugeordnet werden. 

Zwei keramische Spinnwirtel, wie sie als Schwungmassen für Handspindeln bekannt sind, lassen auf die Produktion von Garn schließen, das in einer nahegelegenen Siedlung auf Webstühlen zu Textilien weiterverarbeitet werden konnte. 

Abb. 5: Brunnen/Schöpfstelle im Profil, im Süden der Fundstelle. 

Schlacke war in unterschiedlicher Menge v. a. in den Schlackegruben enthalten. Möglicherweise wurden manche Schlackegruben nach dem Verhüttungsvorgang zumindest teilweise wieder ausgeräumt oder es handelt sich im Fall der Schlackegruben mit nur geringen Schlackeanteilen um missglückte Verhüttungsversuche. In einer Arbeitsgrube im Süden wurde ein etwa 20 kg schwerer Schlackebrocken gefunden. An der Außenseite der „Ofensau“ hat sich der Abdruck der gerundeten Innenwand eines Rennfeuerofens erhalten. Andere Schlackebrocken besitzen Abdrücke von Holzeinbauten, die innerhalb der Schlackegruben installiert waren. Überwiegend handelt es sich um mehr oder weniger kompakte Schlackebrocken mit zahlreichen, tropfenförmigen Auswülsten. Nur vereinzelt wies Schlacke eine fladenartige Struktur auf, die auf einen höheren Verflüssigungsgrad, d. h. auf eine geringere Viskosität der flüssigen Schlacke, schließen lässt. Die „Fladenschlacke“ lässt an höhere Temperaturen oder das Vorhandensein bestimmter Ausgangsmaterialien wie beispielsweise Flussmittel beim Verhüttungsprozess denken. 

Wie die Schlacke kamen die meisten Holzkohlefunde ebenfalls aus den Schlackegruben. Diese können zukünftig für weitere Analysen wie der Radiocarbondatierung oder Holzartbestimmung herangezogen werden. 

Verziegelter Lehm lag in größeren Mengen in Abfallgruben. Dabei handelt es sich zumeist um die Reste der Ofenwände von den Rennfeueröfen. Teilweise sind Anhaftungen von Schlacke an exemplarisch geborgenen Lehmbrocken erhalten. Vereinzelt befanden sich auch in den Schlackegruben Reste der Ofenwände. In einem Fall kamen Bruchstücke von Webgewichten aus verziegeltem Lehm zu Tage. 

Die wenigen erhaltenen Tierzahn- und Knochenfragmente gehören, soweit erkennbar, zu großen Pflanzenfressern und lagen v. a. in Abfallgruben. Die Knochenfunde sind noch nicht archäozoologisch bestimmt worden. 

Die Metallfunde wurden mit Hilfe einer Metallsonde bei der Begehung der Flächen als Lesefunde – ohne Fundzusammenhang – aufgespürt. Darunter befinden sich vier Bronzeobjekte in Form einer Riemenzunge (Abb. 6) und eines zusammengerollten Bleches, die wohl beide auch in den Zeithorizont des Verhüttungsplatzes datieren sowie zwei neuzeitliche Funde in Form einer Riemenschnalle und einer Laffe. Außerdem konnten zwei Brocken Raseneisenstein, dem Ausgangsmaterial bei der Eisenverhüttung, mit Hilfe der Metallsonde entdeckt werden. 

Abb. 6: Detektorfund einer bronzenen Riemenzunge. 

Ein Reibsteinfragment und ein Bruchstück eines Ambosssteins kamen als Streufund aus der Fläche bzw. aus einer Abfallgrube zum Vorschein. Soweit es sich nicht um Siedlungsabfälle handelt, könnten diese bei der Vor- bzw. Nachbereitung von Materialien im Verhüttungsprozess, wie etwa dem Zerkleinern bzw. Zerklopfen von Raseneisenstein, zum Einsatz gekommen sein. 

Silexartefakte kamen sowohl aus Befunden als auch als Streufunde bei der Begehung der Flächen zum Vorschein. Vier Abschlagsgrundformen sowie zwei Kratzer deuten auf eine neolithische Nutzung des Areals hin. Daneben kamen vereinzelt mittelalterliche Kugeltopfscherben zum Vorschein, die in das 9. bis 11. Jh. datieren. 

Ausblick 

Der aufgedeckte Verhüttungsplatz lässt auf eine größere Ausdehnung der Fundstelle schließen, die sich ursprünglich nach Norden und Osten weiter fortsetzte. Allerdings ist aufgrund des Bodenabtrags, der im Rahmen des Deichbaus stattfand und eine Abbruchkante östlich des Bruchweges hinterließ, mit weiteren Spuren des Verhüttungsplatzes sowie einer dazugehörigen Siedlung nur noch im nord- bzw. nordöstlichen Umfeld zu rechnen. 

Eine genauere zeitliche Einordnung der Fundstelle kann von weiterführenden Untersuchungen des Fundmaterials erwartet werden. Hier sind an erster Stelle die Radiocarbondatierung sowie die typologische Einordnung der Keramikgefäße zu nennen. 

Die bei D. M. Kyritz zusammengetragenen Modelle der Eisenversorgung für die Römische Kaiserzeit lassen für die Fundstelle in Müsleringen nach den bisherigen Erkenntnissen eine Eigenproduktion von kaum überregionaler Bedeutung annehmen. Eine eisenzeitliche Datierung des Verhüttungsplatzes könnte zu neuen Erkenntnissen über eine frühe Phase der Eisenproduktion im Norddeutschen Raum führen, wobei die Nähe zum Verkehrs- und Kommunikationsweg Weser eine besondere Rolle gespielt haben könnte. 

Text und Fotos: Andreas Thümmel (denkmal3D)

Weiterführende Literatur 

Jöns, Hauke: Frühe Eisengewinnung in Joldelund, Kr. Nordfriesland. Ein Beitrag zur Siedlungs- und Technikgeschichte Schleswig-Holsteins 1. Einführung, Naturraum, Prospektionsmethoden und archäologische Untersuchungen. Univforsch. Prähist. Arch. 40 (Bonn 1997).  

Jöns, Hauke: Zur ältesten Eisenverhüttung in Norddeutschland und im südlichen Skandinavien. In: S. Möllers, W. Schlüter & S. Sievers (Hrsg.), Keltische Einflüsse im nördlichen Mitteleuropa während der mittleren und jüngeren vorrömischen Eisenzeit [Kolloquium Osnabrück 2006]. Kolloquien zur Vor- und Frühgeschichte 9 (Bonn 2007). 

Kyritz, Donata Maria: Haffen-Mehr: Die Kontaktzone am niederrheinischen Limesgebiet. – Bonn, 2014. – Dissertation, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.