Ehrenamtlich Beauftragte für die Archäologische Denkmalpflege
ein Text von Ronald Reimann
„Ehrenamtlich Beauftragter für die archäologische Denkmalpflege“, das ist aber eine sperrige Bezeichnung meinte mal eine Redakteurin zu mir, die über eine Fundstelle berichtete. Das mag so sein, aber so steht die Bezeichnung in den deutschen Denkmalgesetzen. Oft füge ich in persönlichen Gesprächen bei Landwirten oder auf einer Baustelle hinzu, dass sich das Ehrenamt früher „Kreisdenkmalpfleger“ nannte und ich bemerke an der Reaktion, dass die Inhalte die damit verbunden sind doch besser verstanden werden.
Als ich im Jahr 2009 vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege (NLD) gefragt wurde, ob ich mir vorstellen könnte das Ehrenamt zu übernehmen, war ich doch verunsichert, ob ich den Ansprüchen gerecht werden kann, denn ich konnte die damit verbundenen Tätigkeiten nicht überblicken. Ein alter archäologischer Wegbegleiter warnte mich sogar davor die Tätigkeit zu übernehmen, mit dem Argument, ich würde dann nicht mehr über Freizeit und Zeit für die Familie verfügen.
Tatsächlich ist es so nicht gewesen, denn ich bemerkte nach kurzer Zeit, dass die Aufgaben und Tätigkeiten regelrecht für mich maßgeschneidert sind. Was mir Bücher und die Zugehörigkeit zu einem archäologischen Verein in den Vorjahren nicht im Detail vermitteln konnten, leistete die Praxis. Wo es zeitlich ging, begleitete ich meinen Kommunalarchäologen in den ersten Jahren bei kleineren Grabungskampagnen und half bei Grabungsfirmen ehrenamtlich mit. Somit wurde nicht nur der Blick für Befunde und Funde geschärft, sondern auch für die gesamte Dokumentation einer Grabung.

Bei Baustellenkontrollen konnte ich dabei auch Fundstellen entdecken. Im Umgang mit den Personen auf Baustellen habe ich nie so richtig Probleme gehabt, oder dass man unhöflich zu mir gewesen ist (Beauftragte haben ein Betretungsrecht). Ich kann nur vermuten, weil ich meine Tätigkeit ehrenamtlich ausführe und damit anders wahrgenommen werde als ein festangestellter Denkmalpfleger. Ich erinnere mich, dass mein früherer Kommunalarchäologe einmal auf einer Baustelle vom Personal beschimpft wurde mit den Worten „die Archäologie sei unnütz, sei Geldverschwendung, und er sei ein Schmarotzer.“
Wo Licht ist, da ist aber auch Schatten. Auf einer Baustelle erkannte mich ein Baggerfahrer von einer ganz anderen Baustellenbesichtigung, auf der zwei Urnen entdeckt worden waren. Ich erfuhr dann von ihm das es damals nicht zwei, sondern sechs Urnen waren. Auf meine Frage, wo denn die anderen 4 Urnen geblieben wären, grinste der Bauarbeiter mich an und erwiderte, da wo sie hingehören, nämlich in die Erde. Und er wisse genau, dass alle seiner Kollegen das auch so sehen, dass die Archäologie die Totenruhe störe.
Eine ähnliche Geschichte erlebte ich auf einer Fundstelle beim Bau einer Biogasanlage bei der mehrere hundert Urnen aus der vorrömischen Eisenzeit entdeckt worden waren. Die Fundmeldung erreichte den Landkreis damals durch den Bauherren, der vom Baggerfahrer auf Urnenfunde aufmerksam gemacht wurde mit dem Hinweis, er dürfte nicht mehr weiterarbeiten sonst mache er sich strafbar. Übrigens hatte ich vor dem Bau der Biogasanlage den Landwirt aufgesucht und die Flächen nach Funden abgesucht. Es gab nicht einen einzigen Fund. Die Flächen waren immer als Wiese bewirtschaftet gewesen und vor meiner Begehung erstmalig oberflächlich gegrubbert worden. Die Urnen waren alle nahezu unbeschädigt.
Als ein paar Jahre später eine Trocknungshalle für Mais gebaut wurde, wurden Siedlungsbefunde ausgegraben und dabei half der kleine Sohn des Eigentümers mit. Er berichtete mir dann, dass als die Urnen entdeckt worden sind, sein Vater mit den Nerven fix und fertig gewesen war. Der Baggerfahrer hätte ihm gesagt, dass er vielleicht sechs Urnen verschwinden lassen könne, aber nicht so viele. Und in direkter Nähe würde jemand von der Archäologie wohnen. Wenn der entdeckt das die Urnen beseitigt worden sind, dann würde sein Papa aber so richtig Ärger bekommen.

In Bezug auf Baustellen gibt es zwei Erlebnisse, die ich in keiner positiver Erinnerung behalten habe. Auf einer Baustelle waren durch Ehrenamtliche an einem Wochenende prähistorische Keramikfunde entdeckt worden. Die Keramik wurde mitgenommen und die Fundstellen mit kleinen Fähnchen markiert worden. Morgens um 8 Uhr war ich auf der Baustelle und als ich meinen Ausweis vorzeigte, wurde ich sofort von drei Personen argwöhnisch umringt. Das waren der Architekt, der Bauleiter und der Investor. Ich wurde gefragt, ob ich die Fähnchen in die Erde gesteckt habe und welche Funktion diese erfüllen sollen. Mein Hinweis auf eine festgestellte archäologische Fundstelle schlug sprichwörtlich wie eine Bombe ein und ich wurde gefragt, wie es nun weitergehe. Ich verwies darauf, dass ich die zuständige Untere Denkmalschutzbehörde kontaktiere und die weitere Vorgehensweise von dieser dann ausginge (die Kommune gehörte zu dem Zeitpunkt nicht der Kommunalarchäologie an).
Beim Anruf bei der Unteren Denkmalbehörde stellte sich heraus, dass der zuständige Mitarbeiter sich in Urlaub befand und die einzigen Personen, die verwaltungstechnisch befugt seien eine Baustelle still zu legen, waren der Baudezernent und der Bürgermeister. Beide waren jedoch auch abwesend. Bei der zuständigen Bezirksarchäologie des NLD konnte ich niemanden erreichen. Zwischenzeitlich wurde ich natürlich immer wieder von dem Bauverantwortlichen gefragt, wie es denn nun weitergehen würde. Angeblich hatte man auch mit einem Anwalt Rücksprache gehalten und mir wurde die Frage gestellt was passiert, wenn die Erdarbeiten fortgesetzt werden.
Ich verwies darauf, dass ich als Beauftragter ein Beobachter bin, der fotografisch dokumentieren wird, wenn archäologische Funde und Befunde zerstört werden. Weiterhin informierte ich die Verantwortlichen darüber, dass weitere Erdarbeiten im Bereich der Befunde als vorsätzliche Zerstörung eines Bodendenkmals zu bewerten seien. Dann klingelte auch noch mein Handy und jemand von der Presse stellte mir die Frage, ob ich bestätigen kann das ein Bodendenkmal vorsätzlich zerstört wird. Wenn es kommt, dann aber richtig. Auf so eine Situation an diesem Vormittag war ich nicht vorbereitet worden.
Glücklicherweise erlöste mich der sich eigentlich im Urlaub befindliche Mitarbeiter der Unteren Denkmalbehörde aus der unglücklichen Lage. Und es wurde sich mit der Baufirma darauf geeinigt an anderer Stelle auf dem Gelände weiterzuarbeiten auf der keine Keramik gefunden worden war. Zwischenzeitlich hatte mich der Investor angesprochen und seine missliche Lage geschildert, das über 100 Tonnen Stahl für den Bau einer Halle bestellt seien die eigentlich in den nächsten Tagen verbaut werden sollten. Ein Dilemma, denn natürlich verstehe ich den wirtschaftlichen und finanziellen Druck eines Einzelunternehmers, auf der anderen Seite ist der Denkmalschutz gesetzlich eindeutig geregelt.
Zwischenzeitlich hatte ich eine Mitarbeiterin beim NLD erreicht die aus Hannover anreiste und einen zweiwöchigen Baustopp verhängte.
Die zweite unangenehme Erfahrung geschah bei einer Baubegleitung. Mit einem Bagger wurde der Mutterboden abgezogen und ich war so dermaßen auf die mir vorliegende Fläche konzentriert, dass ich die Schaufel die auf mich zuraste zu spät registrierte. Sie traf mich an der Schulter und ich flog ein paar Meter weiter in den Matsch. Der Baggerfahrer mit der Zigarette in der Hand war vom Hebel abgerutscht und entschuldigte sich mehrfach bei mir. Nur wenige Zentimeter höher hätte die Schaufel mich seitlich am Kopf getroffen.

Ganz viele positive Erfahrungen mit meinem Ehrenamt liegen im Kontakt mit Menschen, sei es in Vorträgen, in Gesprächen über die Archäologie im Gelände, oder in der direkten Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen, Hobbyarchäologen und Findern. Da ich selbst nach Fundstellen forsche bzw. diese erforsche, ergeben sich viele Kontakte mit Landwirten. Manche sind schon als schwierig zu bezeichnen, manche sind das Gegenteil davon. Einer war von meinen Funden so begeistert, dass er mit mir zusammen über sein Feld ging und Keramik aufsammelte.
Später schickte er mir über WhatsApp Bilder öfters Bilder von Funden zu, die er in der Kartoffelrodungsmaschine entdeckte. In zwei Fällen haben Landwirte sogar den Boden extra gegrubbert, damit ich besser mit dem Detektor arbeiten kann. Ein anderer Landwirt sagte mir im Gespräch in seinem Hofladen plötzlich; „einen Moment, ich glaube ich habe da noch etwas für sie“ und drückte mir ein Steinbeil in die Hand das nicht gemeldet war.
Bei gefühlten über 100 Kontakten gibt es nur einen Landwirt, der mir eine Begehung untersagt hat, und das in unhöflicher Art. Sehr ärgerlich, denn auf einem Luftbild sind eindeutig Siedlungsbefunde zu sehen. Das Argument des Landwirtes war, wenn ich denn etwas finde würde, eines Tages dort gegraben wird und er alles bezahlen muss.

Natürlich sind mir die Erfahrungen nicht bekannt, die der Eigentümer vielleicht mit anderen Personen oder mit der Archäologie gesammelt hat. Öfters habe ich von Landwirten gehört, dass sie Personen mit Detektor auf ihren Feldern gesehen haben ohne denen eine Einwilligung dazu gegeben zu haben. Doch nicht nur das, viele schütten zum Ärgernis der Landwirte dann ihre gegrabenen Löcher nicht wieder zu.
Wenn ich mich bei den Landwirten vorstelle, zeige ich meinen Ausweis vom Landkreis um zu dokumentieren, dass ich nicht auf Schatzsuche bin, sondern für die amtliche Archäologie ehrenamtlich tätig bin. Es kommt dann schon vor, das Ängste existieren, z.B. was passiert, wenn ich etwas finde. Da ist dann Aufklärungsarbeit zu leisten. Grundsätzlich habe ich immer prähistorische Keramik, etwas Schlacke und Silexartefakte dabei und zeige es dem Landwirt. In seltenen Fällen ist überhaupt kein Interesse vorhanden und die meisten nehmen es in die Hand und gerade bei der prähistorischen Keramik kommen zuerst Zweifel auf, das es sich um Keramik handelt und nicht um einen Erdklumpen oder Stein. Schon bin ich schnell im Dialog und erhalte dann die Zustimmung zur Prospektion.
Bei Fundstellen, die ich regelmäßig aufsuche und einen guten Kontakt zum Landwirt besitze, habe ich mich schon mit einem Bücherpräsent für die gute Zusammenarbeit bedankt. Es ist so dass die Landwirte alle untereinander gut vernetzt sind. Und ein guter Ruf spricht sich genauso schnell herum wie einer schlechter.
Wenn ich den Eigentümer zu einem Feld suche, fahre ich meistens zum ersten Hof und frage mich durch. Oder sehe ich einen Trecker irgendwo das Feld bewirtschaften, ziehe ich meine Warnweste an und nähere mich für den Fahrer sichtbar den Trecker. In den meisten Fällen zücken die Landwirte ihr Handy und nennen mir nicht nur den Namen, sondern geben mir gleich die Handynummer ihres Kollegen mit den ich suche. Wobei ich statt eines Telefonats überwiegend versuche den Landwirt persönlich aufzusuchen. Bei einem Anruf weiß man nie, ob man gerade jemanden zu einem ungünstigen Zeitpunkt erwischt.
Zu den weiteren Aufgaben eines Beauftragten gehört die Inventarisation, also die regelmäßige Überprüfung von Bodendenkmälern. Viele davon liegen in Wäldern, zum Beispiel Wallburgen, Grabhügel und Landwehren. Glaubt man, das im Wald Bodendenkmäler sicher vor Bodeneingriffen und damit verbundener Zerstörung sind, irrt man sich aber gewaltig. In der Forstwirtschaft wird mit schweren Geräten gearbeitet und nicht selten weisen Fahrspuren eine Tiefe von 80 cm auf. Auch Raubgräbereien z.B. an Grabhügeln werden bei der Inventarisation entdeckt. In der Region Hannover stieß ich einmal auf einen frisch geplünderten Grabhügel, der zuständige Förster hatte mich vorher noch über das Ausmaß der Zerstörung gewarnt. Der Hügel war von der Kuppe bis ins Erdreich ausgegrabenen worden, an einer Seite befand sich ein ebenerdiger Zugang. Im Grabhügel lagen noch die Knieschoner der Raubgräber. Als Bodendenkmalpfleger steht man in diesem Moment ohnmächtig vor dem Bodendenkmal und kann letztlich nur noch das traurige Ergebnis dokumentieren.
Für ihre Unkosten erhalten die Beauftragten vom NLD übrigens eine monatliche Aufwandsentschädigung.